Locked im Lockdown

Warum jetzt eine Auseinandersetzung mit Covid;
zu einem Zeitpunkt, an dem sich Schüler*innen nicht mehr damit konfrontiert sehen, äußern, die Zeit hinter sich lassen zu wollen? 

Wir haben eine Ahnung, eine „überpädagogisierte“ Idee davon, welche Leerstellen sich auch in Zukunft auftun werden, die nicht so einfach durch „Weitermachen wie bisher“ gefüllt werden können. 

Einschneidend in einer sehr jungen Biografie, überschneidend, mit  womöglich weiteren existenziellen Lebensereignissen, die multibelastend sind und waren. 
Das für sich und in dem ganzen Ausmaß zu verstehen und in einen Kontext zu setzen, kann, ja muss doch überfordernd sein. 

Also doch einfach weitermachen?
Kann das Anspruch sein? 

Ungleichheiten in Entwicklungs- und Bildungschancen gab es bereits zuvor. Es geht also nicht allein um einen Ausgleich pandemiebedingter Defizite, sondern vielmehr darum z. B. „strukturelle Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche“ (leopoldina.org) zu schaffen und auszubauen.

Das setzt meinem Verständnis nach in einem hohen Maße an dem Verstehen der Lebenslagen der jungen Menschen an. Auf diesen Zug sind wir eingeladen, aufzuspringen. Zunächst in der Auseinandersetzung mit sich selbst und als aktive Gestalter*innen eines Prozesses.

Wie in den letzten Jahren auch, setzten sich Schüler*innen der Mädchen*klassen der Stiftung Jugendhilfe aktiv und ein männlicher Jugendlicher mit Blick auf den 25.11., dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Mädchen* und Frauen*, nicht nur mit diesem, sondern auch den erschwerten Bedingungen unter der Pandemie auseinander. Es entstanden Fotos, Stop-Motion-Filme, Gedichte, Bilder oder Playlists.

CONTENT NOTE (Triggerwarnung): in den nachfolgenden Bildern findest du Inhalte, die dich bewegen können, z. B. Anzeichen von Gewalt, tiefe Traurigkeit oder Konsum. Wenn du dich heute nicht gut fühlst, besuche die Seite an einem anderen Tag oder schau sie dir in Begleitung einer anderen Person an.

AUSSENSTELLE BÖBLINGEN, ASS

Samira, 17

„Das Kunstwerk stellt ein Fenster dar und einen Menschen, der traurig darüber ist, dass er nicht raus kann. Wie es eben auch während dem Lockdown war. Man wird depressiv, weil alles zu hat, selbst die Schule. Es stellt die Realität dar. Wenn Corona nicht bald aufhört bin ich echt angepisst. Ich habe keinen Bock mehr. Alles ist richtig stressig. Ich will mein Leben wieder leben können, mir nicht ständig ein Stäbchen in die Nase stecken müssen, nur um das Haus verlassen zu können (trotz Impfung, ich fühle mich echt verarscht).“

Dilan, 16

„Das Bild zeigt zwei Frauen. Eine Dickere und eine Dünne. Um zu zeigen, dass sich die Vielfalt der Körper nicht nur im Körpergewicht zeigt, ist die dünnere Frau dunkelhäutig und hat helle Pigmentflecken auf der Haut. Im Corona-Lockdown haben viele Menschen zu- oder abgenommen und für viele ist diese Veränderung des Körpergewichts auch jetzt, nach dem Lockdown, noch ein Thema. Mein Appell ist: Man ist nie hässlich!“

Aylin, 17

„Mit diesem Projekt möchte ich zeigen, wie schwer es Frauen in der Corona-Zeit haben.
Man sieht eine Frau mit blauem Auge, Wunden, blauen Flecken und einer Träne. Es soll darstellen, dass Frauen im Lockdown verpflichtet waren, zuhause zu sein – in einem Zuhause, was nicht wirklich ein Zuhause ist. Viele Frauen müssen unter häuslicher Gewalt leiden oder werden gezwungen, eine Hausfrau zu sein, zu kochen, zu putzen und sich allein um die Kinder zu kümmern.
Manche sind dazu verpflichtet, mit einem gewaltsamen Mann zu leben, der sie zu Sachen zwingt und wenn die Frau mal „Nein!“ oder „Ich will nicht!“ sagt, wird er sie schlagen und sie muss in Angst leben, stark sein und leise sein. Das alles soll hier dargestellt werden.
Es muss sich was ändern. Frauen müssen Nein sagen dürfen, das machen, was sie wollen und gehen, wann sie wollen.
Erlöst diese Frau von ihrem Leid! Niemand redet drüber und das muss sich ändern!“

Sivan, 15

„Mein Kunstwerk zeigt mein Leben.
Mit meinem Kunstwerk möchte ich zeigen, wie sehr ein Virus die Welt und das Leben verändern kann.“

Felix, 15

„Ich wollte zeigen, dass Schule – vor allem während dem Lockdown – auch langweilig ist. Das Kunstwerk zeigt die Sinnlosigkeit des Ausmalens. Im Lockdown hat man viel Sinnloses gemacht. Auch das Ausmalen fühlte sich für mich sinnlos an.
Durchhaltevermögen, Geduld, auf die Zähne beißen, Dinge zu Ende machen, sich selbst gut zureden, verantwortungsbewusst, zuverlässig sein – all das sind Dinge, die man in der Corona-Zeit braucht.“

MÄDCHEN*KLASSE 9, DBS

Whenever you’re falling down
Hopeless and pushed around
Find your own melody
Trust me that music is the key
It makes you feel proud and strong
Helps you to carry on
If you are down on your knees
You should sing it with me
Music is the key
(Sets you free, yes)

„Im Rahmen des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen haben wir uns intensiv mit der Zeit im Lockdown auseinandergesetzt und uns die Frage gestellt, welche Bedeutung die Musik in unserem Lockdown-Alltag eingenommen hat.
Auch wir haben die Musik als Schlüssel für schwierige Zeiten empfunden, die uns trotz den sehr begrenzten Möglichkeiten und auch Freiheiten zumindest gedanklich immer wieder andere Wege eröffnet hat, um unsere Gefühle auszuleben, mit ihnen klar zu kommen. Seien es die energiegeladenen, die traurigen, die fröhlichen, die einengenden….
Die Musik unterstütze uns bei der Verarbeitung von schlimmen Erlebnissen und gab uns die Motivation weiterzumachen. Außerdem ermöglichte sie uns, in schöner Erinnerung zu schwelgen und verhalf uns, unsere positiven sowie negativen Gefühle zuzulassen. Durch unsere Lieblingslieder wandelten sich unsere schlechten  Launen in gute Launen um. Die Musik stellte sich als treuer Begleiter in dieser herausfordernden Zeit heraus und wir können sagen, dass Musik ein Schlüssel für alle Türen ist- unabhängig,
… ob man schöne Erfahrungen oder traurige Situationen erlebt.
… ob es einem gut oder schlecht geht.
… ob man sich Locked im Lockdown oder in Freiheit befindet.“

AUSSENSTELLE HEGELSTRASSE, ASS

Intro

Emilia, 16

Jenny, 16

Sogbe, 16

AUSSENSTELLE TÜBINGERSTRASSE, ASS

Depressionen
Ich sitze in meinem Zimmer
schaue ins Nichts.
Frage mich
wann hört es endlich auf?

Ich laufe durch die Straßen
schaue auf den Boden,
denn keiner soll sehen
wie viel Leid
in meinen Augen steckt.

Ich sitze am Esstisch
mit meiner Familie
ich setze mein gefälschtes Lächeln auf,
denn Mama und Papa
sollen ja nicht sehen,
wie schlecht es mir eigentlich geht.

Sucht
Mein nüchternes Ich mag ich nicht!
Mag es, mich zu betäuben,
Mein wahres Ich zu verstecken.
Nur dann
kann ich mich akzeptieren.

Rückzug
Ich ziehe mich zurück,
aus Angst,
die Menschen,
die ich liebe
zu verletzen…

Ich sitze in meinem Zimmer,
hinter verschlossener Tür.
So, wie jeden Tag.
Möchte nicht,
dass alle anderen
an mich rankommen.

Ich bin in der Schule.
Es ist Pause.
Alle anderen sind in Gruppen.
Lachen.
Haben Spaß.
Ich sitze auf einer Bank.
Alleine.
Fokussiert auf meine Hand.
In Gedanken…

Gewalt
Ich bin in meinem Zimmer.
Die Tür ist abgeschlossen.
Ich höre Schritte,
die sich nähern…
Ich habe Angst!

Ich laufe durch die Stadt
an einem Samstag.
Die Stimmen erhöhen sich,
mein Herz fängt an zu rasen!
Möchte nicht, dass mir was passiert…

Ich bin zwar eine Frau,
doch ich
lasse mich nicht
runter ziehen!

Mut
Ich setze meine Maske ab.
Habe endlich Mut
die Fassade zu durchbrechen
und meine Gefühle
zu zeigen.

Ich sitze beim Therapeuten
habe bis heute
meine wahren Gefühle versteckt.
Hatte eine Maske auf.
Heute habe ich Mut,
setze meine Maske ab.
Erzähle von meinen wahren Gefühlen.
Freiheit.
Ich fühle mich frei!

Ablenkung
Ich mag es nicht
mit meinen Problemen
konfrontiert zu werden.
Lenke mich lieber ab,
renne von ihnen weg.
Nur dann fühle ich mich wohl…

MÄDCHEN*KLASSE 1-4, DBS

Die Mädchen* freuen sich wieder ins Schwimmbad gehen zu dürfen,
oder
über einen Ausflug zur Schlittschuhbahn,
oder
über einen Stadtbummel,
oder
über einen Besuch im Zoo,
oder
über die Teilnahme an der Tanzgruppe
oder
über einen Tag auf einem Spielplatz.

MÄDCHEN*KLASSE GARTENHAUS 5-7, ASS