Triggerwarnung: Hier berichtet eine junge Frau u. a. von selbstverletzenden Verhaltensweisen. Dieser Text könnte verstörende Wörter enthalten.
Aus der ze.tt-Reihe: Mit dem Tod Leben
„Ich wurde stiller, zog mich zurück. Ich vermute, ich wurde sogar ein wenig depressiv. Als ich ungefähr zwölf oder 13 Jahre alt war, hatte meine Mutter wieder einen Freund, war sehr verliebt und hat uns Kinder viel alleine gelassen. Zu Hause hatte ich also wenig Halt.
Ich fing an zu trinken. Ich traf mich regelmäßig mit Freunden, mit denen ich Jägermeister, Wodka und anderes hochprozentiges Zeug trank. Für Clubs und Bars waren wir zu jung, deswegen trafen wir uns meistens irgendwo draußen. Ich erinnere mich an diese Situationen, in denen ich sturzbetrunken nach Hause kam und noch meiner Mutter begegnete, die meistens gerade auf dem Weg zu ihrem Freund war. Dann tat ich für fünf Sekunden so, als wäre alles in Ordnung, ging hoch in mein Zimmer und kotzte mir die Seele aus dem Leib.
Zur etwa selben Zeit verabschiedete sich mein Appetit. Während ich nach der Scheidung meiner Eltern aus Frust ziemlich viel gegessen hatte, aß ich jetzt kaum noch etwas und meine Kilos purzelten nur so dahin. Gleichzeitig begann ich, mich zu ritzen. War ich zu gestresst oder fühlte ich mich zu leer, nahm ich eine Schere und schnitt mir den Unterarm ein, immer ein bisschen mehr. Später ritzte ich auch die Innenseiten meiner Waden und Stellen, die ich besser verstecken konnte, wie die Hüfte, die Schultern und den Intimbereich. Damit fühlte ich mich irgendwie lebendiger. Heute weiß ich, dass das ein stiller Schrei nach Hilfe war.
Meine Mutter wusste von all dem nichts. Die Situation zu Hause wurde immer angespannter, es gab ständig nur noch Streit. Sie warf mir vor, ungehorsam zu sein, während ich immer wortkarger und abweisender wurde. Heute sagt sie, dass sie meine Hilflosigkeit nicht sehen wollte. Sie sei mit ihren eigenen Problemen und ihrer eigenen neuen Liebe beschäftigt gewesen. Neben dem ganzen Alkohol und dem Ritzen begann ich auch zu kiffen und wurde in der Schule immer schlechter.“
„Heute bin ich 20 und weiß, dass alles, was ich getan habe, Methoden zur Bewältigung waren. Ich habe mich selbst dafür gehasst, Papa nicht noch mal im Krankenhaus besucht zu haben, ihn nicht noch mal sehen und umarmen zu können. Meine eigene Strafe dafür war mein selbstzerstörerisches Verhalten, der Alkohol, das Gras, diese sinnlosen Beziehungen. Irgendwann habe ich mich dann genauso für dieses Verhalten gehasst. Trotzdem haben mir diese falschen Entscheidungen geholfen, mich selbst besser zu verstehen. Und wenn ich etwas aus den beiden Beziehungen mit älteren Männer gelernt habe, dann dass ich in der Lage bin, mich von Dingen zu lösen. Alkohol und Gras nehme ich mittlerweile kontrollierter zu mir, wie normale Menschen in meinem Alter. Geritzt habe ich mich seit zwei Jahren nicht mehr. Ich musste erst mal alles Schlechte zulassen, um daraus letztlich etwas Gutes schöpfen zu können.“
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