KINDERRECHTE UND GESCHLECHTERVIELFALT
Thomas Kugler im Gespräch mit Claudia Kittel,
Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention beim Deutschen Institut für Menschenrechte
CLAUDIA KITTEL, WAS IST DIE AUFGABE DER MONITORING-STELLE UN-KINDERRECHTS-KONVENTION, DIE SIE LEITEN?
Die Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention ist Teil des Deutschen Instituts für Menschenrechte, der unabhängigen nationalen Menschenrechtsinstitution für Deutschland. Unsere Aufgabe ist die kritische Begleitung der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland („to monitor“ [engl.] = beobachten, kontrollieren). Dazu berät die Monitoring-Stelle die Politik in Bund, Ländern und Kommunen sowie die Justiz, Anwaltschaft und Zivilgesellschaft bei der Auslegung und kindgerechten Umsetzung der UN-Konvention. Sie setzt sich zudem für eine kinderrechtsbasierte Forschung ein. Die Monitoring-Stelle tauscht sich mit Nationalen Menschenrechtsinstitutionen anderer Länder aus und informiert den UN-Kinderrechtsausschuss über die Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland. Bei all dem arbeiten wir eng mit der Zivilgesellschaft, mit staatlichen Stellen und Forschungsinstituten zusammen. Und natürlich mit Kindern und Jugendlichen selbst, denn Partizipation, im Sinnen von Artikel 12 der UN-Konvention, ist Grundlage unserer Arbeit.
WAS SOLLTEN KITA-FACHKRÄFTE ÜBER KINDERRECHTE WISSEN?
Kinderrechte sind Menschenrechte. Um Rechteinhaber_in der Menschenrechte zu sein, muss man nicht erst eine bestimmte „Reife“ erlangen oder sich diese Rechte irgendwie „verdienen“. Sie sind an die schlichte Tatsache des Menschseins gebunden. Das gilt auch für Kinder. Sie sind Rechtsträger_innen von Anfang an! Trotzdem sind Kinder in der Wahrnehmung ihrer Rechte entsprechend ihrem Alter und Ihrer Reife in einer gewissen Abhängigkeit von Erwachsenen, die sie bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützen sollen. Das sind in erster Linie die Eltern aber eben auch die Fachkräfte, die mit und für Kinder in Einrichtungen arbeiten. Sie selbst sind Träger_innen von Menschenrechten und haben darüber hinaus noch eine ganz besonderes wichtige Rolle mit Blick auf die Kinderrechte. Dieser Rolle, mit Blick auf die Schutz- und Fürsorge aber eben auch die Beteiligungsrechte von Kindern, sollte sich jede Kita-Fachkraft bewusst sein.
WAS HABEN DIE THEMEN SEXUELLE UND GESCHLECHTLICHE VIELFALT MIT DEN KINDERRECHTEN ZU TUN?
Die Vorgabe, dass kein Kind aufgrund seiner Hautfarbe, seines Geschlechts, der Herkunft seiner Eltern oder aufgrund einer Behinderung benachteiligt werden soll, ist seit 1992 in Form von Artkel 2 der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland in Kraft. Zu den Rechten von Kindern, die für alle Menschen gelten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gehört neben dem Diskriminierungsverbot aus Artikel 2 beispielsweise aber auch das Recht des Kindes auf Information (Artikel 17 UN-KRK). Zu „Information“ zählt dabei auch die Information über Familien- und Geschlechtervielfalt, die allen Kindern in einer Einrichtung vermittelt, dass sie – so wie sie sind und leben – Teil einer Gemeinschaft sind und nicht „aus dem Raster fallen“. Die Erkenntnisse der Studie des Deutschen Jugendinstituts aus 2015 „Coming-out und dann?!“ machen deutlich, dass die Thematisierung von Familien- und Geschlechtervielfalt mit Kindern selbst gar nicht früh genug beginnen kann. Denn viele der in der Studie befragten jungen Menschen berichteten, „schon immer“ über ihre Geschlechtsidentität gewusst zu haben. Hier wird schnell deutlich, dass es zum Auftrag einer jeden Kita gehören muss, mittels einer inklusiven pädagogischen Praxis Kindern von Anfang an einen sicheren Umgang mit Vielfalt zu vermitteln.
WELCHE ROLLE SPIELEN SOZIALE VIELFALT, GESCHLECHTERVIELFALT UND FAMILIENVIELFALT FÜR DIE UMSETZUNG DER KINDERRECHTE IN DEN KITAS?
Vielfalt in der demokratischen Gesellschaft ist ein hoch aktuelles Thema, wo doch die Grundfesten der Vielfalt in unserer Gesellschaft politisch gerade von einigen Akteur_innen zunehmend in Frage gestellt werden. Hoch aktuell aber auch, da der Kita-Alltag zunehmend davon geprägt ist, dass Kinder in vielfältigsten Familienformen aufwachsen oder aber dadurch, dass einzelne Kinder sich von den anderen Mädchen und Jungen unterscheiden, sei es durch ihr Geschlecht, ihr Rollenverhalten, ihre Geschlechtsidentität oder ihre sexuelle Orientierung. Deshalb brauchen Erzieher_innen Informationen, Bildungsmaterialien und konkrete Anregungen für das pädagogische Arbeiten im Kita-Alltag. Ein inklusiver Ansatz, der soziale Vielfalt, Geschlechtervielfalt und Familienvielfalt aktiv aufgreift, ist ein Beitrag, Kinder bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen – und damit ein Beitrag zur Verwirklichung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland.
aus: Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg: Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt als Themen frühkindlicher Inklusionspädagogik, S. 28ff
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