Spiegel Online: ein Gastbeitrag von Leïla Slimani, 13.01.2018
„Auf der Straße herumlaufen. Abends die Metro nehmen. Einen Minirock tragen, ein Dekolleté, High Heels. Allein mitten auf der Tanzfläche tanzen. Fingerdick Schminke auftragen. Angeschickert ins Taxi steigen. Halbnackt im Gras liegen. Trampen. Mit dem Nachtbus fahren. Allein reisen. Allein auf einer Terrasse etwas trinken. Einen einsamen Weg entlangjoggen. Auf einer Bank warten. Einen Mann anbaggern, es mir anders überlegen und ihn stehenlassen. Mich unter die Menge in einer Pariser Vorortbahn mischen. Nachts arbeiten. Mein Kind in der Öffentlichkeit stillen. Eine Gehaltserhöhung fordern. In all diesen banalen Alltagssituationen will ich das Recht haben, nicht belästigt zu werden. Das Recht, nicht einmal darüber nachzudenken.
Ich fordere die Freiheit, dass man weder meine Haltung noch meine Kleidung, meinen Gang, die Form meines Hinterns oder die Größe meiner Brüste kommentiert. Ich beanspruche mein Recht, in Ruhe gelassen zu werden, allein sein zu dürfen, mich ohne Angst fortbewegen zu können. Ich will nicht nur eine innere Freiheit. Ich will die Freiheit, draußen zu leben, in der Öffentlichkeit, in einer Welt, die auch ein bisschen mir gehört.
Ich bin kein zerbrechliches kleines Ding. Ich möchte nicht beschützt werden, sondern mein Recht auf Respekt und Sicherheit geltend machen. Und die Männer sind beileibe nicht alle Schweine. Wie viele von ihnen haben mich in diesen letzten Wochen beeindruckt, erstaunt, begeistert mit ihrem Verständnis für die Bedeutung dessen, worum es gerade geht, mich völlig verblüfft mit ihrer Entschlossenheit, nicht mehr mitzuspielen, die Welt zu ändern, auch sich selbst von diesem Verhalten zu befreien.“