Wann haben wir es verpasst, attraktivere Angebote zu machen?

– Metapher E.see – Der eine Blick –

Wer sind DIE Jugendlichen in Stuttgart, Frankfurt, Hamburg, Stadt, Dorf?

Wer ist in den letzten Monaten zu Wort gekommen? Welche Bilder sind v. a. in der Mehrheitsgesellschaft hängen geblieben und haben weitere zementiert: So sind also. DIE Jugendlichen (natürlich nicht meine Tochter*, mein Sohn*, die meiner Familie, die meines Dorfes, die meines Landkreises – natürlich nicht!). Aber …

Es existieren – ein Glück – nicht nur reißerische Schlagzeilen. Jugendliche oder Sozialarbeiter*innen (als deren Sprachrohr) sind zu Wort gekommen, eine Handvoll (lokaler) Politiker*innen sind ehrlich an „dem Dahinter“, an ernster „Ursachenforschung“ (Übersetzung: Jahrzehnte lange Versäumnisse in Bildungs- und städtebaulicher Politik, Vernachlässigung soziokultureller Zusammenhänge, Wegducken vor diskriminierungskritischen Debatten, etc. pp.) interessiert.

Es gibt sie: Podien zu Themen wie „racial profiling“ mit Besetzung durch Polizeifachschule und –präsidenten. Verbotene Praxen, die es so nicht geben sollte, aber durch Stimmen aus dem Publikum unanfechtbar als gängig bestätigt werden. Handlungsbedarf in der Ausbildung von Polizist*innen. Und der große Wunsch von Diskriminierung und Rassismus betroffener Menschen und Allys: Hinschauen, als Fehler im System anerkennen und sich von einer „Einzelfall“kultur“ distanzieren.

Sie gibt es auch: Polizist*innen, die sich stark machen, die tolle Präventionsarbeit an Schulen leisten, zuhören. Wäre doch schlimm, wenn ich auch bei ihnen nur von „Einzelfällen“ sprechen würde. Nicht wahr?

Und es gibt v. a. auch sie: die jungen Menschen, Schüler*innen. Mit schweren Rucksäcken, von außen nicht erkennbar. Wie retraumatisierend muss es sein, wenn männliche Personen massiv grenzüberschreitende Leibesvisitationen bei weiblichen Jugendlichen durchführen? Praxis! Wie aufreibend, sich Woche für Woche ausweisen zu müssen?

Unsere Jugendlichen hören nicht immer gut zu, fühlen sich schnell in die Ecke gedrängt – aus Erfahrungen. Aber: ihnen wird auch nicht ausreichend zugehört bzw. werden sie nicht gehört. Ihre ehrlichen Fragen sind mit Blick auf gegebene „Machtverhältnisse“ dann auch durchaus nachvollziehbar: „Müssten Polizist*innen es nicht besser wissen, dass sie einer womöglich alkoholisierten Jugendgruppe nicht aggressiv entgegentreten sollten? Natürlich verhalten wir uns dann ebenfalls respektlos.“
Auch weiterhin treffen sich die Jugendlichen an einschlägigen Orten. „Wo sollen wir sonst hin? Viele kommen auch von außerhalb in die Stadt gefahren. Natürlich sitzen wir nicht mehr im Flutlicht.“

Jugendliche oder marginalisierte Gruppen suchen sich neue Orte bzw. sind gezwungen, sich neue zu erschließen. Ballungsräume, v. a. diejenigen, die ein bestimmtes Stadtbild wahren wollen, zielen auf Verdrängung ab. So auch Stuttgart. Das kann mitunter sehr subtil (Demontage von Sitzgelegenheiten, „attraktivere Nachnutzungen“) ablaufen, gerne auch offensiv (Räumungen). Jede Praxis hat ihre Berechtigung, leider erschließt sie sich mir nicht immer (liegt es an der fehlenden Transparenz von Maßnahmen?), oft kann ich diese aber auch nicht mit meiner Haltung vereinbaren.

Eine Schülerin berichtete tatsächlich, dass sie das Gefühl habe, freundlicher von der Polizei behandelt zu werden. „Schließlich haben sie ja gemerkt, dass wir Schaden anrichten können. Das wollen die ja auch nicht.“
Es zeigt sich: es gibt auf allen Seiten etwas zu tun.

Es hilft vermutlich wenig, wenn sich Erwachsene isoliert die Gedanken der Jugendlichen machen, wenn eine Sprache gesprochen wird, die unterschiedlicher nicht sein kann.

Ob es uns schmeckt oder nicht: akute Lösungsvorschläge sehen nicht so aus, wie wir sie gerne hören wollen: „Clubs und Bars sollen wieder aufmachen.“ Punkt. „Das Alter ist denen eh egal! Reingekommen bin ich auch schon mit 15.“

Wann haben wir den Moment verpasst, attraktivere Angebote zu machen?

Foto: Tel Aviv, Dez. 2018

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