1. April 2019.
Mit gemischten Gefühlen, aber gespannt machen wir uns auf den Weg zur Gedenkstätte Dachau.
Geredet, Fotos gesichtet, virtuell das Gelände begangen, Versuche, zu verstehen … all das lief im Vorfeld.
Vor Ort zu sein, Gebäude und Geschichten im Kopfe zu rekonstruieren, in der Gaskammer zu stehen … all das sind die Dinge, die uns trotz allen „Wissens“ fragend zurückgelassen haben.
12.00Uhr erwartet uns unser Guide Guido. Wir haben großes Glück mit ihm.
Immer wieder nimmt er Bezug auf die Gegenwart, will, dass wir über Prozesse und uns nachdenken – vorsichtig, nicht mit erhobenen Zeigefinger. Aber es ist ihm ein großes Anliegen.
Er hat es geschafft.
Wir überziehen die angesetzten 2,5h und schlendern mit ihm bei Sonnenschein den Weg über das so geschichtsträchtiges Gelände – vom „Brausebad“ Richtung „Arbeit macht frei“ – zurück.
Ausgerüstet mit manuellen Kameras, nehmen wir das Gelände mit anderen Augen wahr. Wie die Geschichte, so können auch wir „misskungene“ Fotos nicht einfach löschen.
Es folgt eine wortlose, anhand einiger Aufnahmen, die am Ende der Seite zukünftig durch weitere Fotos ergänzt und als Diashow angezeigt werden, zugleich eine wortreiche Dokumentation in Form eines fiktiven Interviews, in denen die Schülerinnen selbst zum Ausdruck bringen, wie sie sich im Nachklang mit dem Thema auseinandergesetzt haben.
Das habe ich noch nicht gewusst ...
„Ich habe nicht gewusst, wie viele Menschen dabei gestorben sind.“ (M., 18J)
„Ich wusste nicht so viel über die „kleinen“ Strafen, über die extremen Demütigungen, welche die Menschen über sich ergehen lassen mussten.“ (M., 17J)
„Dass von 117 Zeugen Jehovas 114 wegen Wehrdienstverweigerung erschossen wurden, dass nur ¼ der 200.000 Gefangenen Juden waren und wie sehr die Leute gedemütigt und erniedrigt wurden, habe ich nicht gewusst.“ (A., 19J)
„Wie willkürlich die Menschen dort gedemütigt und verletzt wurden und auch, unter was für Bedingungen diese Menschen leben mussten, war mir davor gar nicht so klar.“ (A., 17J)
„Ich habe nicht gewusst, dass ¾ der Gefangenen in Dachau politische Häftlinge waren und dass viele der SS-Männer direkt neben dem KZ wohnten, somit auch mit ihren Frauen und Kindern.“ (R., 17J)
Das hat mich besonders berührt ...
„Mich hat das Krematorium geschockt, vor allem das „Brausebad“, was in Wirklichkeit die Gaskammer war.“ (M., 18J)
„Mich haben die Erzählungen von unserem Guide berührt. Ich habe oft daran gedacht, dass genau an der Stelle wo ich stehe jemand seine letzten Minuten verbracht hat. Die Größe von allem fand ich sehr „krass“. An den verschiedenen „Stationen“ habe ich mich in eine andere Zeit versetzt und habe mir Szenarien vorgestellt die genau dort passiert sind.“ (M., 17J)
„Mich hat berührt, wie hart die Foltermethoden waren oder wie die Insassen gegenseitig aufgehetzt wurden, und die erlebten Berichte von Zeitzeugen fand ich auch erschreckend.“ (A., 19J)
„Ich fand es sehr schockierend und beängstigend, dass man den Leuten dort wirklich alles weggenommen hat, was man einem Menschen wegnehmen kann. Die armen Leute hatten ja nicht mal ein letztes Stück Würde.“ (A., 17J)
„Die abscheulichen und sadistischen Methoden der Nazis, die Entwürdigungen und Manipulationen der Gefangenen, grausame Foltermethoden. Dass nach außen hin durch Propaganda alles menschengerecht scheinen sollte, verharmlost wurde, extra Blumen gepflanzt wurden, falls das KZ besucht wurde, um es schön darzustellen und die Bevölkerung sagte, sie hätte von all den Transporten und von all den Grausamkeiten nie etwas gewusst.“ (R., 17J)
Darüber habe ich noch länger nachgedacht ...
„Warum konnten die Menschen so skrupellos sein?“ (M., 18J)
„Ich habe an die einzelnen Familien gedacht, wie sie getrennt wurden. Ich dachte an einzelne Personen, wie sie gestorben sind und an die SS-Männer – wie konnten die damit umgehen? Die Zeit war erschreckend und darf nicht wieder vorkommen.“ (M., 17J)
„Ich habe darüber nachgedacht, wie ich mich in solchen Situationen verhalten hätte, ob so etwas noch einmal passieren kann und wie man es schafft, so etwas eigentlich zu überleben.“ (A.,19J)
„Ich denke immer noch darüber nach wie gewissenlos die Nazis sein mussten, dass ein SS-Mann den ganzen Tag Leute quält und tötet und dann abends nach Hause geht und sein Kind ins Bett bringt und tut, als wäre nichts passiert. Ich könnte meiner Familie nie wieder in die Augen kucken.“ (A., 17J)
Das möchte ich Jugendlichen und Erwachsenen mitteilen ... / Dieser Appell geht an Schule und Jugendarbeit ...
„Alle sollten sich mehr mit dem Thema 2. Weltkrieg beschäftigen, damit genau so etwas nicht mehr passiert!“ (M., 18J)
„Man darf die Zeit nicht vergessen und nicht verdrängen, dass das alles passiert ist. Man sollte aufmerksam durchs Leben gehen und Parallelen entdecken. Jeder sollte seine Meinung sagen und für seine Rechte kämpfen. Informiert euch über Vergangenes, denn die Menschheit neigt dazu, Sachen zu wiederholen, doch so etwas darf sich nicht wiederholen.“ (M., 17J)
„Hinterfragt ganz viel, liebt eure Mitmenschen, seid verständnisvoll und maßt euch niemals an anderen weh zu tun.“ (A., 19J)
„Dass man Sachen hinterfragen sollte und dass man erstmal drüber nachdenken sollte, bevor man irgendetwas glaubt. Und wenn man Dinge mitbekommt die nicht in Ordnung sind, sollte man nicht die Augen verschließen, sondern Dinge offen ansprechen.“(A.,17J)
„In der Schule sollte man solche Themen besprechen, wie und warum so etwas passieren kann und die Lehrer sollten bei Themen wie Mobbing, Ausgrenzung und Rassismus schneller reagieren und handeln.“ (A., 17J)
„Informiert euch! Es ist wichtig dass wir über die Geschichte unseres Landes Bescheid wissen und uns damit auseinander setzen. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir, wenn wir damals gelebt hätten, vielleicht auch betroffen sein könnten“ (R., 17J)
Das ist für eine tolerante Zukunft wichtig ...
„Alle Menschen egal ob homosexuell, Moslem, Jude, sollten sich akzeptieren. Mensch ist Mensch! Es ist egal, welche Religion oder Herkunft.“ (M., 18J)
„Für eine tolerante Zukunft ist es wichtig, Toleranz gegenüber allen Menschengruppen zu zeigen, Gleichberechtigung zu erreichen und ein gutes Miteinander zu haben und Respekt gegenüber allen zu haben.“ (M., 17J)
„Das man Menschen akzeptiert und respektiert, die eine andere Herkunft oder eine andere Denkweise, Glaubensweise oder Lebensweise haben.“ (A., 17J)
Was ich noch sagen möchte ...
„Dass wir Menschen unbedingt aus der Vergangenheit lernen müssen, damit solche schrecklichen Dinge nicht wieder passieren können.“ (A., 17J)
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